Die Liebenden von Cabourg. Roman by Amelie Breton

Die Liebenden von Cabourg. Roman by Amelie Breton

Autor:Amelie Breton [Breton, Amelie]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104006734
veröffentlicht: 2014-06-09T16:00:00+00:00


30

Der Gedichtband, den Emma in den Händen hielt, war nurmehr Dekoration. In den vergangenen fünf Tagen hatte sie das kleine Buch mehrfach gelesen und die Zeilen auswendig gelernt, zwischen denen Paul das Gänseblümchen gepresst hatte: »An die Waldvögel«, in dem der Dichter von unerfüllter Sehnsucht schrieb.

Emma legte das Buch auf den Tisch und trank von ihrer Apfellimonade. Sie hatte sich einen schattigen Platz unter den Eichen ausgesucht, von wo aus sie einen guten Blick über die Terrasse des Cafés bis hin zu der Tür hatte, die sich vom Grandhotel zum Parkcafé hin öffnete.

Vom Meer wogte Wind auf, so kräftig, dass er das Tischtuch flattern ließ und einer älteren Dame den Rock anhob. Zwei Frauen am Tisch neben ihr begannen zu kichern.

In der Ferne rauschte die Brandung. Am liebsten wäre Emma zur Promenade gelaufen, um zu sehen, wie die weiße Gischt an den Strand rollte und die Möwen von den Pfählen des Stegs aufstoben. Aber das hatte Zeit bis kurz nach vier. Sie wollte hier sitzen und warten, wie an jedem Tag.

Würde er heute kommen?

Die Sehnsucht, Paul kennenzulernen, war inzwischen stärker als ihre Gewissensbisse. Und sie wurde mit jedem Tag größer; krallte sich in einem Bereich in ihrem Magen, der sich immer dann zusammenzog, wenn sich die Seitentür des Hotels öffnete.

Ja, sie dachte mehr an einen anderen Mann als an ihren eigenen Verlobten, der doch alles tat, dass es ihr gutging. Und ja, es war durch und durch unschicklich, sich ohne Aufsicht von Margarete mit Paul zu treffen, aber das war ihr in diesem Moment, so viele Kilometer von Berlin entfernt, vollkommen gleich.

Emma atmete tief ein, spürte die Weite ihrer Lungen.

»Das Wichtigste ist, dass Sie sich von allen Sorgen befreien«, hatte der Professor ihr erklärt. »Das Asthma nervosum zeigt seine größte Ausprägung in allzu starker nervlicher Anspannung.«

Hier, in Cabourg, war plötzlich alles von ihr abgefallen. Selbst die Trauer um ihre Mutter hatte ein sanfteres, beinahe versöhnliches Gesicht bekommen, obwohl sie ihrer Seele hier wohl näher war als in Berlin.

Ihr Blick wanderte zu den hohen Eichen, deren Blätter im Wind rauschten. Ab und zu blinzelte die Sonne durch das dichte Laub und funkelte über Rasen und Cafétische. Emma schloss die Augen und spürte dem Wind nach, der kraftvoll über ihr Gesicht strich.

Zwei Hände legten sich plötzlich über ihre Lider. »Emma-Victoria, Liebste«, flüsterte eine Männerstimme.

Sie lächelte. Für einen Moment meinte sie, ihr Herz müsse einen Schlag aussetzen. Paul! War er es wirklich?

Emma schob die Hände von den Augen und drehte sich um.

Das Lächeln schwand aus ihrem Gesicht, als sie sah, wer sie soeben angesprochen hatte. »Alexander!«, rief sie aus und erhob sich langsam. Dann fand sie ihre Fassung wieder.

»Habe ich dich überrascht?«

Sie brachte keinen Ton heraus.

Es schien nicht richtig, Alexander hier im Parkcafé des Grandhotels zu sehen, und sosehr sie auch Freude zeigen wollte, sie brachte es nicht fertig. Stattdessen begann sie, heftig zu schlucken, und nickte.

Er nahm sie ungestüm in den Arm und bedeckte ihre Lippen mit zahllosen kleinen Küssen, dann winkte er nach einem Kellner, der mit einen gewaltigen Strauß langstieliger roter Rosen im Hintergrund gewartet hatte.



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